Zwei Freunde im Rassenhass
In „ A d r e s s a t U n b e k a n n t “ entzweien sich zwei Jugendfreunde während der Nazizeit. Die szenische Lesung sorgte für Beklemmung in der Liebfrauen-Schule.
Von Peter Langer
Mülhausen. Zwei Schreibtische auf der Bühne stehen für Orte, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Der eine, von kubistischen Portraits umgeben, mit Schreibmaschine und Bauhauslampe, ist der Tisch von Max Eisenstein. Swingmusik im Hintergrund zeigt: Er steht in den USA. Der andere soll sich in München befinden. Hier, mit einer in Öl gemalten Waldidylle, Schirmlampe und einem irgendwie deutsch aussehenden Garderobenständer, der stramm wie ein Soldat in „Hab Acht“ im Hintergrund wacht, arbeitet Martin Schulze. Bei ihm erklingen Etüden von Chopin und unterstreichen so noch die bald auftretende Kluft zwischen den beiden engen Freunden. Martin und Max betreiben gemeinsam eine Galerie, doch Martin kehrte aus Amerika nach Deutschland zurück und erlebt dort die Machtergreifung der Nationalsozialisten. Und Max in Amerika ist Jude.
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Zunächst sind die Briefe der beiden Freunde noch geprägt von Erinnerungen an heitere Jugendtage und gutes Essen. Doch die Entfremdung nimmt seinen Lauf. Bald fragt Max an, wer denn „dieser Herr Hilter oder Hitler“ sei, der in Deutschland die macht ergriffen habe. Auf Martin weiß zunächst nicht, wie er den neuen Machthaber einschätzen soll. Doch ohne dass er es merkt, wird er in den Hurra-Strudel der Begeisterungswoge hineingezogen und als Beamter NSDAP-Sympathisant. Max sorgt sich immer mehr: „Schreib mir, mein Freund, und gib mir meinen Seelenfrieden zurück!“
Doch die Briefe von Martin werden immer mehr zu hohlem Gedröhne. Er berichtet von der „Wiedergeburt eines großartigen Deutschlands unter unserem geliebten Führer““ kündigt „dem Juden Max Eisenstein“ die Freundschaft und liefert dessen Schwester in Deutschland sogar der SA aus. Die wird als Jüdin von den Schlägertrupps ermordet. Am Ende gerät auch Martin durch Briefe von Max in schwerste Bedrängnisse.
Es dauert einen Augenblick, bis nach dem Verklingen einer jüdischen Version von „My funny Valentine“ am Schluss der Applaus ertönt. Spürbar atmet das Publikum im PZ erstmal durch. Mit unglaublicher Authentizität spielen die beiden Kabarettisten ihre Rollen auf der Bühne. „Diese Geschichte besitzt keinen erhobenen Zeigefinger und ist vom menschlichen Aspekt daher besonders nahe gehend“ so Wolfgang Müller.